Wegovy, das beliebte Adipositas-Medikament des Pharmariesen Novo Nordisk, wurde Mittel Juli in Deutschland auf den Markt gebracht. Doch bis die Mehrheit der Patientinnen und Patienten davon profitieren kann, dürfte noch einige Zeit vergehen. Aufgrund der strengen Gesetzgebung und der hohen Kosten werden solche Medikamente zur Gewichtsreduktion von vielen Krankenkassen nicht erstattet. Außerdem könnten Lieferengpässe die Verbreitung bremsen.
Deutschland ist der größte Pharmamarkt des Kontinents und nach Dänemark und Norwegen das dritte europäische Land, in dem Wegovy eingeführt wird. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung (52,1 %) leidet an Übergewicht. Medikamente zur Gewichtsreduktion werden jedoch nicht in jedem Fall von der staatlichen Krankenversicherung übernommen. Das bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der potenziellen Nutzer die Rechnung selbst bezahlen muss. „Derartige Behandlungen werden als eine Frage der Eigenverantwortung und des persönlichen Lebensstils angesehen. Daher werden sie nicht von der Solidargemeinschaft der Versicherten finanziert“, erklärte ein Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums. Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland deckt rund 90 Prozent der Bevölkerung ab.
Wegovy soll in Deutschland nach Angaben von Novo Nordisk zwischen 170 und 300 Euro pro Monat kosten. Das liegt deutlich unter dem US-Listenpreis von 1350 Dollar. Trotzdem gilt es für viele öffentliche Gesundheitssysteme in Europa als zu teuer. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (von Novo Nordisk finanziell unterstützt), kritisiert, dass solche Maßnahmen die Adipositas-Behandlung auf Menschen beschränken, die sich die Medikamente aus eigener Tasche leisten können. „Menschen, die mit Adipositas leben, müssen oft die finanzielle Last ihrer medizinischen Behandlung selbst tragen. Das behindert eine evidenzbasierte Therapie und verschärft die gesundheitliche Ungleichheit“, sagte ein Sprecher der Gruppe in einem Interview.
Das ebenfalls von Novo Nordisk hergestellte Diabetes-Medikament Ozempic mit demselben Wirkstoff (Semaglutid) in einer anderen Dosierung wird jedoch von den Krankenkassen übernommen, wenn es Typ-2-Diabetikern verabreicht wird.
Auch in anderen Ländern keine Kostenübernahme für Wegovy
Selbst in Dänemark – dem Heimatmarkt von Novo Nordisk – gibt es keine Erstattung von Wegovy durch die öffentliche Krankenversicherung, da die Kosten in keinem Verhältnis zum therapeutischen Wert stünden. Der größte private Krankenversicherer des Landes, Danmark, will zudem ab 2024 keine Zuschüsse mehr für Medikamente zur Gewichtsreduktion gewähren, da die Nachfrage „enorm gestiegen“ sei.
In Norwegen, dem zweitgrößten europäischen Markt für Wegovy, wird das Medikament ebenfalls nicht vom öffentlichen Gesundheitssystem übernommen. Das Vorgängerprodukt Ozempic ist jedoch für die Behandlung von Typ-2-Diabetes erstattungsfähig.
In Großbritannien ist der Zugang zu Wegovy im Rahmen eines zweijährigen Pilotprogramms zunächst auf Spezialisten in Krankenhäusern beschränkt und auf Personen mit einem BMI (Body Mass Index) von mindestens 35 und einer gewichtsbedingten Erkrankung wie Diabetes oder Bluthochdruck. Das bedeutet, dass nur etwa 35.000 Menschen Zugang zur Behandlung haben werden, obwohl Zehntausende mehr in Frage kämen.
Hemmnisse durch Lieferschwierigkeiten
Emily Field, Leiterin der Analyseabteilung für Pharmaaktien bei der Investmentbank Barclays, geht davon aus, dass der hohe Preis die Nachfrage in Deutschland kaum dämpfen wird. Auf der anderen Seite könnte das begrenzte Angebot die Dynamik der Branche bremsen, deren prognostiziertes Marktvolumen für die nächsten zehn Jahre bei 200 Milliarden Euro liegt.
Im Mai kündigte Novo Nordisk an, die Lieferung von Anfangsdosen seines Adipositas-Medikaments in den USA zu kürzen, da es mit der steigenden Nachfrage, auch von nicht fettleibigen Patienten, nicht Schritt halten könne. Anfang Juli riet das Unternehmen den Ärzten in Deutschland, „verantwortungsvoll zu verschreiben“ und die Verschreibung auf Patienten mit medizinischem Bedarf zu beschränken. Auch der Konkurrenzanbieter Eli Lily, dessen Diabetes-Medikament Tirzepatid (Mounjaro) ebenfalls zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden kann, hat mit Lieferengpässen zu kämpfen.
Gesundheitliche Bedenken gegen Wegovy bleiben bestehen
Die für diesen Sommer erwarteten Ergebnisse der „Select“-Studie von Novo Nordisk könnten ein wichtiger Meilenstein sein. Die Studie soll Aufschluss darüber geben, ob eine Behandlung mit Semaglutid bei Menschen mit Übergewicht oder Adipositas, aber ohne Diabetes, kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren kann. Sollte sich herausstellen, dass das Medikament ein breites Anwendungsspektrum hat, einschließlich kardiovaskulärer Vorteile, stünde einer zukünftigen Kostenübernahme durch die Krankenkassen womöglich nichts mehr im Wege.
Die Hersteller von Diätmedikamenten haben jedoch noch einen langen Weg vor sich, wenn es darum geht, gesundheitliche Bedenken auszuräumen. Anfang Juli kündigte die Europäische Arzneimittelagentur an, eine Reihe von Medikamenten zur Behandlung von Fettleibigkeit und Diabetes zu überprüfen. Der Grund: Selbstmordgedanken und selbstverletzendes Verhalten bei einigen Patienten.
Unterdessen warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davor, Medikamente wie Wegovy als „Königsweg“ im Kampf gegen Übergewicht anzusehen. Sie seien lediglich als Teil eines „umfassenden Ansatzes“ zu empfehlen. Nach Angaben der WHO hat sich die weltweite Adipositasrate in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht. Derzeit sind schätzungsweise 1 Milliarde Menschen klinisch fettleibig, davon etwa 650 Millionen Erwachsene, 340 Millionen Jugendliche und 39 Millionen Kinder.
Wegovy: Fragen und Anworten
Welcher Wirkstoff ist in Wegovy enthalten?
Der in Wegovy enthaltene Wirkstoff heißt Semaglutid. Er ähnelt dem körpereigenen Hormon GLP-1, das das Hungergefühl dämpft, die Nahrungsaufnahme verlangsamt und den Blutzuckerspiegel reguliert.
Wie hoch ist die Gewichtsabnahme nach der Einnahme von Wegovy?
In einer 68-wöchigen medizinischen Studie mit 1961 Erwachsenen, die an Fettleibigkeit oder Übergewicht mit einem damit verbundenen medizinischen Problem litten, verloren die Erwachsenen etwa 15,9 kg (15 % ihres Körpergewichts). Personen, die in der Studie ein Scheinmedikament (Placebo) einnahmen, verloren im Durchschnitt 2,7 kg (2,5 % ihres Körpergewichts). Das durchschnittliche Ausgangsgewicht beider Gruppen lag bei 105 kg.
Wie schnell kann man mit Wegovy abnehmen?
Da jeder Mensch unterschiedlich auf Medikamente anspricht, gibt es keine feste Zeitangabe, wann Sie mit Wegovy Ergebnisse erwarten können. Fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin, was für Sie realistisch ist.
Was sind die häufigsten Nebenwirkungen von Wegovy?
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Wegovy können gehören: Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Verstopfung, Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Magenverstimmung, Schwindel, Völlegefühl, Aufstoßen, Blähungen, Magengrippe, Sodbrennen, laufende Nase und Halsschmerzen.
Wie und wie oft muss man sich Wegovy spritzten?
Wegovy injiziert man einmal pro Woche subkutan (unter die Haut), unabhängig von Tageszeit oder Mahlzeiten. Es empfiehlt sich, Wegovy jede Woche am gleichen Tag zu verabreichen.
Was ist, wenn ich eine Dosis vergessen habe?
Wenn Sie eine Dosis vergessen haben und die nächste geplante Dosis mehr als 2 Tage (48 Stunden) entfernt ist, nehmen Sie die vergessene Dosis so bald wie möglich ein. Sind es weniger als 48 Stunden bis zur nächsten geplanten Dosis, lassen Sie die vergessene Dosis aus. Wenn Sie die Einnahme zwei Wochen hintereinander vergessen haben, fragen Sie Ihren Arzt, wie Sie weiter vorgehen sollen.